Mit dem “Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten” sollen Unternehmen mit Sitz in Deutschland unter anderem dazu angehalten werden, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen bei Zulieferern zu überprüfen und den Handel mit diesen gegebenenfalls einzustellen. Compliance-Vorgaben sollen offen kommuniziert, nachgehalten und Verstöße dokumentiert werden.
Das Gesetz gilt zunächst für Unternehmen mit über 3000 Beschäftigten; ab 2024 wird es auf alle Firmen mit mindestens 1000 Arbeitnehmern erweitert. Dazu zählen auch Zeitarbeiter, die mindestens für sechs Monate im Unternehmen beschäftigt sind. Unter das Gesetz fallen ebenfalls ausländische Unternehmen, die eine Niederlassung oder Tochterfirma in Deutschland haben.
Unter die Sorgfaltspflicht der Unternehmen fallen vor allem Menschenrechtsverletzungen und Umweltaspekte. So soll mit dem Gesetz hauptsächlich Kinder- und Sklavenarbeit verhindert werden; weitere wichtige Aspekte sind Diskriminierung und mangelnder Arbeitsschutz.
Die wichtigsten Punkte im Überblick:
Entscheidend ist hier sicherlich die Abstufung der Lieferkette: Mittelbare Lieferanten müssen nicht überprüft werden – es sei denn, ein Unternehmen erhält Kenntnis von möglichen Verletzungen oder Risiken.
Die Bußgelder durch das BAFA können bis zu 8 Millionen Euro oder 2 % des Jahresumsatzes betragen; letzteres gilt allerdings nur für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 400 Millionen Euro. Das Amt erhält allerdings recht weitreichende Befugnisse: Es darf Geschäftsräume betreten, Unterlagen einsehen und Unternehmen zu konkreten Maßnahmen auffordern – im Zweifel mit Nachdruck durch die Verhängung eines Bußgeldes.
Für kleine und mittlere Unternehmen ändert sich zunächst einmal nichts, da sie die relevante Anzahl an Beschäftigten bei weitem nicht erreichen. Alle anderen stehen vor der Herausforderung, die erforderlichen Vorgaben bis 2023/24 komplett und fehlerlos umzusetzen. Selbst auferlegte, freiwillige Verpflichtungen sind damit hinfällig.
Wichtigste Maßnahme für betroffene Unternehmen ist die Einführung eines Risikomanagements, um ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen und etwaige Mängel frühzeitig erkennen und beheben zu können. Es gilt, genauestens zu analysieren, wo Rohstoffe und Produkte herkommen und unter welchen Bedingungen sie hergestellt werden.
Zudem sind zusätzliche Präventivmaßnahmen wie die Schulung von Mitarbeitern und Lieferanten zum Thema Menschenrechte hilfreich. Alle Maßnahmen sollten sorgfältig und vollständig dokumentiert werden – nicht nur, um der gesetzlichen Pflicht nachzukommen, sondern auch, um mögliche Imageschäden zu vermeiden. Denn wer auch nach außen kommuniziert, dass er alles unternimmt, um die Compliance-Vorgaben umzusetzen, macht sich bei seinen Kunden sicherlich nicht unbeliebter.
Klar ist aber auch: Durch die neuen Mindeststandards werden manche Rohstoffe teurer; zudem dürften einige Unternehmen, die durch die gesetzlichen Vorgaben entstandenen Mehrkosten auf die Endpreise ihrer Produkte umlegen – denn die Bereitstellung von zusätzlichen Ressourcen zur Einhaltung des Gesetzes erfordert personellen und zeitlichen Aufwand.
Innerhalb der EU unterschieden sich die vorhandenen gesetzlichen Regelungen in den einzelnen Mitgliedstaaten teils deutlich voneinander. Um eine für alle verbindliche Grundlage zu schaffen, arbeitet die Staatengemeinschaft daran, ein einheitliches Lieferkettengesetz auf den Weg zu bringen. Die EU-Kommission will dafür bis Ende 2021 konkrete Vorschläge vorlegen, die unter anderem Nachhaltigkeit und unternehmerische Sorgfaltspflicht entlang der gesamten Lieferkette betreffen.
Ein solches europäisches Lieferkettengesetz könnte weitaus strenger ausfallen als die deutsche Variante – und die müsste dann an europäisches Recht angepasst werden. Zur Diskussion stehen unter anderem eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf kleinere Unternehmen sowie der garantierte Zugang zu Rechtsmitteln für Geschädigte. Zudem sollen neben Menschenrechten auch Umweltschutz und Unternehmensführung behördlich kontrolliert werden.
Der ein oder andere international tätige Onlinehändler dürfte sich ob des momentanen Flickenteppichs an nationalen Regelungen und Standards über eine einheitliche europäische Lösung freuen – denn so gäbe es immerhin klare, EU-weite Regelungen und damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Beteiligten. Dass manch ein Unternehmer zurecht auf den hohen bürokratischen Aufwand hinweist und sich lieber etwas mehr freiwillige Selbstkontrolle wünschen würde, ist allerdings auch kein Geheimnis.
Das Lieferkettengesetz dient vor allem als gesetzliche Vorgabe zur Einhaltung von Mindeststandards bei Menschenrechten und Arbeitsschutz – wer bisher seiner unternehmerischen Verantwortung nicht gerecht wurde, soll nun notfalls unter Androhung von Bußgeldern dazu gebracht werden. Dies und das Risiko eines Reputationsschadens dürften dafür sorgen, dass Unternehmen diesen Pflichten auch nachkommen werden.
Erst einmal sind aber lediglich große Unternehmen vom Lieferkettengesetz betroffen. Es ist natürlich davon auszugehen, dass diese die Sorgfaltspflicht entlang der Lieferkette weiterreichen, um sich abzusichern – das dürfte aber eher mittelständische Zulieferer aus der Industrie betreffen als den typischen Onlinehändler.
Aufgrund der europäischen Bestrebungen, die Regelungen EU-weit zu vereinheitlichen, ist das letzte Wort aber noch nicht gesprochen. Deutschland wird sein Gesetz wohl an die Vorgaben der EU anpassen müssen, was auch für kleinere Firmen eine strengere Sorgfaltspflicht zur Folge hätte. Zudem sollen Geschädigte dann direkt klagen können. Bevor die Auswirkungen des Lieferkettengesetzes genau zu bestimmen sind, gilt es also zunächst einmal, die EU-Version abzuwarten.